Solange ein Mensch sich sicher fühlt, empfindet er auch keinen Stress, einfach weil er die Kontrolle über die Lebensbedingungen und das Verhalten anderer Menschen hat. Ob dieser Mensch allerdings mit seinem Erfolg zufrieden sein kann, ist oft fraglich. Auch wenn eine Strategie erfolgreich zum Abschluss gekommen ist, konnte dies wahrscheinlich nur auf Kosten mindestens eines anderen Menschen zustande kommen, weil man entweder einem anderen die eigene Meinung als Forderung aufzwingt oder sich selber zurücknimmt. Diejenigen, die sich erfolgreich mit ihren Wünschen durchgesetzt haben, werden mit der Unzufriedenheit von denjenigen konfrontiert, deren Wünsche keine Beachtung finden. Gehört man zu der Gruppe von Menschen, die sich entweder von selber zurücknehmen oder aber sich nicht stark genug fühlen, ihre Interessen nach außen hin zu behaupten, kommt man chronisch zu kurz. Selbst wenn die zurückhaltende Haltung selbst gewählt ist und man sich dadurch wenigstens als moralischer Sieger den Egoisten, die sich alles nehmen was sie ,,haben“ wollen, erlebt, fällt es schwer sich entweder immer wieder als Verlierer zu erleben oder die Selbstzufriedenheit anderer auszuhalten. Ein vermeintlicher Gewinner muss also die oft negativen Reaktionen derjenigen Mitmenschen aushalten, die zwar ihre Ansprüche nicht geltend machen konnten, die aber trotzdem deutlich machen, dass sie mit dem was passiert, so nicht einverstanden sind. Als mögliche Reaktionen entziehen sie bisherigen Freunden zum Beispiel ihre Loyalität, schmollen mit Partnern, die sich nicht erwartungsgemäß verhalten oder nehmen anderen ihren inneren Frieden, indem sie ihre eigene Unzufriedenheit ,,großzügig“ mit anderen teilen. Menschen kommunizieren immer ihre eigenen Befindlichkeiten, wobei dies meistens ganz unbewusst stattfindet. Gekränkte, unzufriedene oder ängstliche Menschen sagen also selten was sie sich wünschen, sondern sie zeigen es durch Aktionen, die einen Gegenüber auf die eigenen Empfindungen aufmerksam machen sollen. Fühlt sich jemand hilflos, dann wird das Verhalten Hilflosigkeit kennzeichnen, Ärger wird Ärger erzeugen und Traurigkeit Traurigkeit. Auch wenn der äußere Anlass zum Beispiel eine Krankheit ist, der man hilflos ausgeliefert ist oder ein Mitmensch, der Ärger oder Traurigkeit provoziert, ist der eigentliche Anlass für negative Befindlichkeiten eher darin zu finden, dass ein Mensch nicht das bekommt, was er sich wünscht. Selbst diejenigen Menschen, die ihre Vorstellungen erfolgreich durchsetzen, sind den Reaktionen ihrer Mitmenschen hilflos ausgeliefert. Sie müssen sich mit deren Enttäuschungen, Verletzungen und den entsprechenden Reaktionen hilflos ausgeliefert, müssen deren Eifersucht, Ärger und Traurigkeit aushalten. Was hilft es einem, alles Materielle zu haben was man sich wünscht, sich aber einsam zu fühlen. Es gibt keinen Unterschied zwischen der Einsamkeit der Sieger und Verlierern. Während die Einen darum kämpfen, das zu bekommen, was sie haben wollen, um sich so die Anerkennung und den Respekt anderer zu sichern, halten die Anderen sich bescheiden zurück, um dafür wertgeschätzt zu werden. Die Beachtung dessen was wir tun, um beachtet zu werden, bleibt allerdings immer aus, wenn diejenigen, um deren Beachtung wir kämpfen, das Verhalten missachten oder sogar verachten. Es wird missachtet, wenn einem Menschen das Verhalten fremd ist und es deswegen nicht gelingt, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Verhaltensweisen, die anderen sogar schaden, lösen oft die Verachtung der Geschädigten aus. Unabhängig davon, ob die wahre Motivation für Aktionen bewusst oder rein unbewusst initiiert ist, bewerten wir das Erlebte rein subjektiv, inwieweit es uns persönlich guttut oder nicht. Wenn ich als Coach oder Therapeut mithilfe meiner Arbeit zu Anerkennung und Respekt kommen möchte, dann nutze ich meine Patienten und Klienten aus. Da wo ich andere für meine Zwecke ausnutze, um mich ,,wichtig“ zu fühlen, gebe ich gleichzeitig aber meinen Gegenübern die Macht, mit entweder gut zu tun oder mir zu Schaden. Sie können mir jedes Wort glauben oder mich anzweifeln oder sogar kritisieren, unabhängig von dem Inhalt meiner Arbeit. Nur weil ich um die Anerkennung anderer buhle, werde ich anfällig für Stress, ausgelöst durch Menschen, die die Macht haben, mir weh zu tun, unabhängig davon, ob ich ihnen wirklich einen Grund dafür gebe oder ob sie es einfach tun können, weil sie mich ,,besiegen“ wollen, indem sie sich einfach nicht wie erwartet verhalten.
Ich persönlich habe viele Jahrzehnte lang meine eigenen Wünsche zurückgehalten und mich den von den anderen Menschen erwarteten Bedingungen angepasst. Solange sich meine Zurückhaltung nur auf die Wahl des Restaurants oder Urlaubsziel bezog, fiel es mir leicht, mich nicht für etwas zu entscheiden oder für etwas einzustehen. Je älter ich wurde, desto größer wurde mein Bedürfnis, meine Zurückhaltung aufzugeben. Ich habe viele Jahre hart dafür gearbeitet, mir ein Wissen anzueignen, mit dem ich zwischenmenschliche Beziehungen verbessern wollte. Als ich an dem Punkt angekommen war, dass ich wirklich wusste, was ich sagte und es auch so meinte, bekam ich die ,,Macht“ derjeniger Menschen zu spüren, die diese Chance zur Veränderung nicht wollten, weil sie sich Positionen im Leben erarbeitet hatten, die für sie sicher genug waren, weil sie die für sich richtige Form der Beachtung gefunden haben. Nachdem diese Menschen mich und mein Wissen in wenigen Minuten zerstört hatten, durfte ich mich fragen, warum ich ihnen die Macht überhaupt gegeben habe. Die Antwort darauf lautet: ,,Ich wollte ihnen gefallen…habe ihnen aber so wie ich war, nicht gefallen, weil ich anders war, als sie es von mir erwartet haben.“ Mein Stress besteht in der Reaktion anderer. Da wo ich mir Respekt oder sogar Liebe erhoffe, darf ich im Moment noch nicht ich selber sein, sondern muss mich anpassen.
Fazit: ,,Du musst dir selber gefallen, um sicher zu sein.“